Hinweisgeber:innen sind vom Gesetz geschützt

zumindest teilweise

die Eckpfeiler des HinweisgeberInnenschutzgesetzes (HSchG)

Seit 2015 ist in Europa Bewegung in der Debatte zum Schutz von Hinweisgeber:innen gekommen. Dass es einen geregelten Umgang mit Whistlblower:innen braucht, liegt für alle Beteiligten auf der Hand. Arbeitnehmer:innen erhalten eine Anlaufstelle für ihre Beobachtungen illegalen Verhaltens. Arbeitgeber:innen erfahren so von internen “Unregelmäßigkeiten”. Europäische Institutionen, allen voran das EU-Parlament, der nationale Gesetzgeber, NGOs und Interessenvertretungen haben sich eingebracht und ihre Wünsche und Anliegen deponiert. Im Februar 2023 hat der österreichische Nationalrat die Gesetzgebung – mit etwas Verspätung – beschlossen.

Wer dem Dogen von Venedig im 14. und 15. Jahrhundert eine anonyme Mitteilung machen wollte, konnte einen Hinweis in diesen steinernen “Beschwerdebriefkasten” werfen, der auch “Bocca di Leone” (Löwenmaul) genannt wird, weil die steinernen Gesichter mit dem Briefschlitz meist einen Markus-Löwen darstellten. Heute würde man die Mitteilungen wohl unter Tatbestände wie Steuerhinterziehung, illegale Geschenkannahme, geheime Absprache oder ähnlichem einordnen. Ob die seitens des Dogen versprochene Geheimhaltung der Identität der Hinweisgebenden (oder der Beschuldigten) ausreichend gewährleistet werden konnte und sie vor Verfolgung geschützt hat, sei dahingestellt.

Die Inschrift besagt sinngemäß: Heimliche Anzeigen gegen diejenigen, die Straftaten und Zuwendungen verschleiern oder mit Dritten absprechen, um ihr wahres Einkommen zu verbergen.

Immer wieder braucht es Menschen, die auf grobe Unrechtmäßigkeiten in Unternehmen und Behörden hinweisen. Beispiele gibt es genug. Finanzbetrug im großen Stil auf höchster Ebene, die Rudolf Schmerger in Deutschland oder Raphael Halet in Luxenburg öffentlich gemacht haben. Menschenunwürdige Behandlung von Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim, das die Pflegerin Brigitte Heinisch zuerst innerhalb, dann auch außerhalb des Unternehmens angeprangert hat. Massive Verstöße der US-amerikanischen Streitkräfte gegen das Folterverbot, die Soldatin Mannings ans Tageslicht brachte. Illegale Börsenspekulationen mit kritischer Infrastruktur, die bei dem US-amerikanischen Energieversorger Enron betrieben wurden. Menschenrechtswidrige Überwachung sämtlicher Staatsbürger:innen, wie sie von Edward Snowden bewiesen wurde. Der österreichische Botschafter in Griechenland, Herbert Amry, der in den 1980er Jahren illegale Waffentransporte in kriegsführende Länder beobachtete und darüber seine Vorgesetzten informierte (und bald darauf unter ungeklärten Umständen starb). Die Aufzählung könnte noch weiter fortgesetzt werden. Es muss in vielen Fällen erst die Öffentlichkeit von dem illegalen Verhalten erfahren, das meist bereits lange besteht, eng mit der “Unternehmenskultur” verknüpft ist und “unter den Teppich gekehrt” werden soll, damit es gänzlich abgestellt oder zumindest schrittweise abgebaut werden kann.

Whistleblowing kann beitragen, eingefahrene Missstände abzuschaffen

In allen diesen Fällen hatten in erster Linie die Hinweisgeber:innen den Schaden zu tragen. Sie wurden diffamiert , verloren ihre Jobs, landeten vor Gericht und wurden – mitunter zu langjährigen Haftstrafen – verurteilt. Sie mussten sich selbst verteidigen, aus ihrem Land flüchten und ihr Leben weitgehend neu gestalten. Die eigentlichen Täter:innen, die eigentlichen Verursacher:innen der Missstände, sind dagegen relativ unbeschadet geblieben. Damit sich das ändert, beschloss das Europäische Parlament mehr Druck auf den Gesetzgeber zu machen damit Hinweisgeber:innen in Zukunft besser geschützt werden. An den Verhandlungen zur entsprechenden Europäischen Richtlinie war auch die österreichische Abgeordnete Evelyn Regner maßgeblich beteiligt.

Die Europäische Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber:innen ist im Oktober 2019 in Kraft getreten und hätte eigentlich bis 17. Dezember 2021 in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen, wobei für kleinere Unternehmen eine Frist zur Anpassung bis Dezember 2023 gesetzt wurde. Bevor die Umsetzung in Österreich erfolgt ist, gab es zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der Kommission.

Rüffel aus Brüssel

Der Fairness halber muss hinzugefügt werden, dass auch zahlreiche andere EU-Staaten ihre nationale Gesetzgebung zum Schutz von Hinweisgeber:innen nicht wie in der Richtlinie vorgesehen umgesetzt haben. So erhielten nach der Deadline für die Umsetzung vom 17. Dezember 2021, im Jänner 2022 sage und schreibe 24 Mitgliedsstaaten eine Aufforderung, tätig zu werden. Ein gerichtliches Verfahren wurde ein Jahr später, im Februar 2023, gegen acht Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – eingeleitet. Gerade rechtzeitig, um nicht zu den acht weiterhin säumigen Mitgliedsstaaten zu zählen, hat der Österreichische Nationalrat das HinweisgeberInnenschutzgesetz verabschiedet.

Die wichtigsten Punkte darin sind:

  • Unternehmen die mehr als 50 Arbeitnehmer:innen beschäftigen, müssen eine Meldestelle einrichten.
  • Die Meldestelle kann intern oder extern eingerichtet werden, ist mit den nötigen finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten und muss unparteilich und unvoreingenommen arbeiten.
  • Einem Hinweis ist nachzugehen und die Folgemaßnahmen sind zu dokumentieren.
  • Eine Meldung muss vertraulich gegeben und behandelt werden.
  • Eine Meldung kann schriftlich, mündlich oder persönlich abgegeben werden.
  • Meldende Personen sind zu schützen indem ihre Identität geschützt wird und ihnen keine Sanktionen wie Kündigung, Suspendierung, Versagen einer Beförderung, Versagung von Weiterbildungsmaßnahmen, Aufgabenverlagerung, Verlagerung von Arbeitsort, negative Leistungsbeurteilung, Entzug einer Lizenz u.s.w. auferlegt werden.

Bereits bestehende Meldekanäle bleiben. Insbesondere im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist das wichtig zu wissen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass Gesundheitsgefährdungen nun über neue “Beschwerde-Hotlines” gemeldet werden müssten. Die Möglichkeit, Betriebsrätinnen und Betriebsräte über Missstände zu informieren, ist ebenfalls weiter unangefochten aufrecht.

Insgesamt wäre das Gesetz ausbaufähig, indem beispielsweise der Katalog der Verstöße, die gemeldet werden können erweitert wird, oder die Anonymität der Meldenden mehr hervorgestrichen wird. Einige wichtige Grundlagen zum Schutz von Hinweisgebenden sind festgehalten.

Rechte der Betriebsrät:innen bleiben wie sie sind

Die Einführung eines Hinweisgebersystems ist für (fast alle) Arbeitgeber:innen verpflichtend. Parallel dazu muss das Arbeitsverfassungsgesetz eingehalten werden. Das heißt:

  • Betriebsrät:innen müssen darüber informiert werden, wie das System im Betrieb eingeführt wird
  • Betriebsrät:innen müssen erfahren, welche personenbezogenen Daten der Beschäftigten in dem System von wem verarbeitet werden und ob dabei externe Dienstleister eingesetzt werden
  • Betriebsrät:innen müssen mitbestimmen können, wenn das System über die gesetzliche Minimalvariante hinausreicht
  • in den meisten Fällen wird es eine Betriebsvereinbarung brauchen

Für die betriebliche Umsetzung von Whistleblowing und Meldekanälen ist folgende Lektüre empfehlenswert:

  • In der GPA wurde eine ausführliche Broschüre zu Whistleblowing verfasst, in der die Rechtsgrundlagen sowie Umsetzung und betriebliche Praxis ebenso wie ein Muster für eine Betriebsvereinbarung aufbereitet sind.
  • Auf dem Blog der Abteilung Arbeit & Technik wird immer wieder zum Thema berichtet. Besonders lesenswert ist ein Beitrag zur “Nestbeschmutzer-Debatte” aus 2013.
  • Ein Podcast der Bildungsabteilung der GPA hat sich mit Meldekanälen beschäftigt.
  • Die Bildungsabteilung der GPA bietet immer wieder Seminare zum Thema an.
  • Die Arbeiterkammer bietet weitere Informationen.

Mit diesem Wissen kann es den Betriebsrätinnen und Betriebsräten gelingen, sich dafür einzusetzen, dass die Meldekanäle für die Zwecke genutzt werden, für die sie eingerichtet wurden: ein betrieblicher Umgang mit Meldungen, der falsches Verhalten beseitigt und vor allem die Hinweisgeber:innen vor Unrecht bewahrt.

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