Whistleblowing leicht/er gemacht

EU-Richtlinie sorgt für Schutz von Beschäftigten, die Missstände aufdecken

Verdacht auf Korruption? Verdacht auf ein Datenleck? Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen? Eine Pflegeeinrichtung behandelt die Patient*innen gesundheitsschädigend? Dann ist das ein Fall für die Whistleblowing-Stelle. Eine solche müssen in der EU ansässige Unternehmen ab 50 Beschäftigten einrichten. Diese unabhängige Stelle muss sich um den Hinweis kümmern. Hier ein Interview mit der Autorin der Broschüre „Whistleblowing – wenn Arbeitnehmer*innen Missstände aufdecken“ (erstmals veröffentlicht im Blog der Zeitschrift Kompetenz).

Kompetenz: Worum geht es eigentlich beim Begriff Whistleblowing?

Clara Fritsch: Whistleblowing ist das Aufdecken von Missständen oder von kriminellen Aktivitäten. Es geht nicht um Intrigen oder persönliche Rachegelüste, sondern darum, gemeinsame Interessen zu schützen wie beispielsweise Warenproduktion ohne Kinderarbeit, eine intakte Umwelt, einen gesunden Arbeitspatz oder das Grundrecht auf Privatsphäre.

Warum ist das ein Thema für die Gewerkschaft?

Es gehört zur Arbeit von Betriebsrät*innen auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen. Das Arbeitsverfassungsgesetz schützt Betriebsrät*innen dabei bis zu einem gewissen Grad. Wenn aber „einfache“ Beschäftigte einen Verdacht äußern wollen, kommen sie leicht in die Bredouille, wissen nicht wohin, wägen ab, ob es sich dafürsteht sich, brauchen eine Menge Zivilcourage und lassen es dann meist lieber bleiben.

für Whistleblowing braucht es Zivilcourage

Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema und wie man es gesetzlich regeln sollte. Das Thema ist jetzt gerade wieder aktuell, weil auf Druck des Europäischen Parlaments und mit großem Engagement der Abgeordneten Evelyn Regner eine neue Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen beschlossen wurde. Damit wird nun, wer rechtswidriges Verhalten im Arbeitsumfeld meldet, vor Repressalien bewahrt.

Edward Snowden oder Julian Assange, sind berühmt geworden, weil sie Missstände aufgedeckt haben. Gibt es auch schon Fälle von Whistleblowing in Österreich?

Die ersten Whistleblower, die man auch so genannt hat, sind in den 1970er Jahren in den USA aktiv gewesen und haben Papiere zum Vietnam-Krieg öffentlich gemacht. Sehr oft geht es bei Whistleblowing um militärische Aktionen, wie bei Chelsea Manning. Aber seit den 2000er Jahren lassen sich zunehmend Whistleblower*innen im Zusammenhang mit Missständen am Arbeitsplatz beobachten. Beispielsweise die deutsche Altenpflegerin Brigitte Heinisch.

beim Whistleblowing muss es nicht immer um spektakuläre Medienauftritte gehen

Selbstverständlich gibt es auch in Österreich Menschen, die Missstände öffentlich machen und beseitigen wollen und sich dazu an Behörden oder Medien wenden. Ein Hinweis an eine Zeitung zu gefälschten Bankkrediten, epidemische Erkrankungen in Gaststätten und Beherbergungsbetrieben, und Ähnliches. Betriebsrät*innen, die ungesetzliche Arbeitsbedingungen beim Arbeitsinspektorat melden, sind ein weiteres Beispiel.

Wenn ich in meinem Unternehmen etwas entdecke, von dem ich vermute, dass es gegen das Gesetz verstößt, was soll ich tun?

Zuerst einmal sollte man es auf dem innerbetrieblichen Weg probieren und die Vorgesetzten informieren. Wenn allerdings die Gefahr besteht, dass diese selber „mit drin stecken“ oder gar nichts ausrichten können, dann wendet man sich an die Whistleblowing-Hotline, die gemäß der neuen Europäischen Richtlinie alle Unternehmen über 20 Beschäftigten und alle öffentlichen Einrichtungen bis 2021 einrichten müssen.

Wenn sich jemand an eine Stelle außerhalb des Betriebs wenden möchte, wird es ganz darauf ankommen, worum es konkret geht. Geht es um einen Verdacht auf Korruption, wendet man sich an beispielsweise an die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Wie werde ich geschützt, wenn ich auf Missstände aufmerksam mache?

Der Schutz besteht darin, dass anonym gemeldet werden kann, dass die Meldestelle unabhängig sein muss und dass auch außerhalb des Betriebs gemeldet werden kann.

Außerdem sind sämtlich Arten von Benachteiligung durch die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen verboten; in der Richtlinie steht

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um jede Form von Repressalien gegen (…Hinweisgeber…), einschließlich der Androhung von Repressalien und des Versuchs von Repressalien, zu untersagen.

EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern, Artikel 19

Und dann folgt eine lange Liste, was alles konkret nicht geschehen darf. Diese Liste reicht von Suspendierung und Kündigung über Aufgaben- und Arbeitszeitänderung bis hin zu Rügen, Disziplinarmaßnahmen oder psychiatrischen Überweisungen.

wer Missstände meldet darf deshalb keinen Repressalien ausgesetzt sein

Die EU hat eine Richtlinie zum Whistleblowing beschlossen. Was bedeutet das für Österreich?

Bis 2021 muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Unternehmen mit 50-249 ArbeitnehmerInnen haben dann weitere zwei Jahre Zeit, um eine Meldestelle für Hinweisgeber*innen einzurichten.

Was muss mein*e Arbeitgeber*in beachten?

Arbeitgeber*innen müssen eine unabhängige Meldestelle einrichten. Es muss die Möglichkeit geben, anonym zu melden. Der Erhalt der Meldung muss innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Es muss Hinweisen innerhalb von drei Monaten nachgegangen werden. Und das Wichtigste: die Hinweisgebenden müssen geschützt werden. Es gibt noch eine Reihe weiterer Vorgaben, von denen wir die wichtigsten in unserer Broschüre „Whistleblowing“ zusammengefasst haben. In Betrieben mit Betriebsrat braucht es außerdem eine Betriebsvereinbarung.

Welche Rolle spielt dabei der Betriebsrat?

Der Betriebsrat gestaltet über den Weg der Betriebsvereinbarung mit, wie das Hinweisgeber*innen-System konkret im Unternehmen gestaltet wird. Der Betriebsrat sorgt mittels der Betriebsvereinbarung dafür, dass beschuldigte Beschäftigte nicht „gebrandmarkt“ werden. Er legt fest, wie die Verdachtsmomente von den zuständigen unabhängigen Stellen behandelt werden. Er verhandelt, welche Informationen an wen weitergegeben werden – und welche nicht.

Zur gemeinsamen Gestaltung der Betriebsvereinbarung steht die GPA gerne zur Verfügung. Unsere neue Broschüre liefert auch zahlreiche Tipps und Hintergrundinfos. Die Whistleblowing-Richtlinie lässt es nach wie vor zu, dass man sich mit Verdacht auf rechtswidriges Verhalten von Arbeitgeber*innen auch jederzeit an die Gewerkschaft wenden kann. Das Recht der Arbeitnehmervertretung auf Information, Konsultation und die Verteidigung der Arbeitnehmerrechte ist immer noch in Kraft.

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