„Und plötzlich sollen alle agil sein!“

Autorin: Eva Angerler

Was hinter dem Trend zum Agilen Arbeiten steckt

CC Gerd Altmann

Agile Unternehmen kommen mit den Unwägbarkeiten von Krisen besser zurecht, so der Tenor vieler Unternehmensberatungen. Dass Umgehen mit hoher Unsicherheit und Unplanbarkeit eine große Herausforderung darstellt, hat uns die Corona-Krise gezeigt. Es erfordert, schnell und unbürokratisch Entscheidungen zu treffen, Abstimmung in den Teams, vertrauensvolle Zusammenarbeit und Selbstorganisation. Diese Qualitäten werden dem agilen Arbeiten zugeschrieben.

Agile Ansätze kommen aus der Softwarebranche

Ein Beispiel dafür ist Scrum, eine Vorgehensweise, die aus der Softwareentwicklung kommt. Dabei gibt es klare Rollen (z.B.: Scrum Master, Product Owner, Team), die rein funktionale Aufgaben erfüllen, während hierarchische Machtpositionen ausgeschlossen sind. Durch agile Ansätze sollen die Nachteile des traditionellen Projektmanagement vermieden werden, die im technokratischen Planungsfetischismus liegen. Anstatt Projekte nach dem „Wasserfall-Prinzip“ top-down abzuwickeln, werden Zielbandbreiten festgelegt, an die sich das Team schrittweise (durch sogenannte Sprints) annähert und immer wieder Feedbackschleifen zieht.

Agile Umstrukturierung als Erfolgsrezept?

Agiles Arbeiten hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten auch in anderen Branchen stark verbreitet, mittlerweile gibt es kaum mehr Unternehmen, die keine agilen Ansätze nutzen. Agilität ist scheinbar zu einem Kriterium zeitgemäßer Organisationen geworden. Viele Unternehmen setzen darauf, nicht nur einzelne Projekte, sondern ihre gesamten Strukturen agil zu transformieren. Als Vorbild dient dabei der Streamingdienst Spotify, dessen Erfolg mit der agilen Organisationsform in Verbindung gebracht wird.

Solche Veränderungsprozesse haben massive Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und berühren zahlreiche Mitbestimmungsrechte. Vielfach werden klassische Abteilungen abgeschafft und Teams nur für die Dauer von Projekten gebildet. Führung bekommt im Rahmen der agilen Arbeitsweise eine neue Aufgabe. Der hohe Grad an Selbstorganisation, aber auch die Transparenz der Einzelleistungen bei der Bewältigung der Arbeitsaufgaben fördert gruppendynamische Prozesse mit ihren positiven und negativen Auswirkungen.

Agil geht nur gemeinsam

Agilität kann allerdings auch die Arbeitssituation verschlechtern. Wenn es heißt „Ihr sollt agil werden, nicht wir“, werden ungleiche Machtverhältnisse zementiert und der Betriebsrat wird geschwächt.

Soll agiles Arbeiten zu einer positiven Veränderung für alle im Unternehmen führen, muss es einen kulturellen Prozess im Unternehmen geben, der alle einbezieht und Regeln für alle verbindlich macht. Der Betriebsrat ist daher gut beraten, den Blick aufs Ganze zu richten und das agile Veränderungsvorhaben kritisch zu erfassen und zu bewerten sowie seine Mitbestimmungstatbestände und datenschutzrechtliche Fragen (z.B. zu Speicherfristen oder Profiling) zu prüfen.

Das Positionspapier „Agile Arbeit unter der Lupe. Eine kritische Einschätzung aus Sicht des Beirats für Arbeit und Technik“ bietet differenzierte Informationen für BetriebsrätInnen in diesem Prozess.

Am 15.6. findet von 10-12 Uhr ein Webinar der GPA zur Agilität statt, bei dem Betriebsrätinnen aus der Praxis berichten.

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