Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung?

AugeJustizminister Brandstetter hat sich vor kurzem gegenüber der APA für eine Nachfolgregelung für die mit 1.7.2014 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehobene Vorratsdatenspeicherung (VDS) ausgesprochen. Brandstetter strebt eine „verfassungskonforme Regelung“ an, die auf bestimmte Bereiche schwerster Kriminalität – nämlich Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung – abzielt. Heftige Kritik kommt von Seiten des Koalitionspartners SPÖ und von der Bürgerrechtsorganisation AKVorrat.

Ein kurzer Rückblick

In Umsetzung einer EU-Richtlinie (RL) aus 2006, die vor allem mit dem Argument der Terrorbekämpfung erlassen wurde, führte Österreich mit 1. April 2012 Regelungen zur VDS ein. Diese sahen vor, dass die Provider anlasslos sämtliche Kommunikationsvorgänge via Telefon, Handy, E-Mail und Internet sechs Monate speichern mussten. Die Ermittlungsbehörden konnten auf diese Daten bei Verdacht eines vorsätzlich begangenen Delikts mit einer Strafandrohung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe – teilweise auch ohne richterliche Anordnung – zugreifen. Im April 2014 hob der EuGH die umstrittene Vorratsdaten-RL auf Grund ihrer Unvereinbarkeit mit der Grundrechte-Charta auf (siehe blog-Beitrag vom 10.4.). Anstoß für diese Entscheidung bildete eine vom AKVorrat eingebrachte Beschwerde beim VfGH, im Zuge dessen dieser die Frage der Vereinbarkeit der RL mit der Grundrechte-Charta an den EuGH vorlegte. Ende Juni 2014 wurden die nationalen Regelungen über die VDS schließlich durch ein Erkenntnis des VfGH (siehe blog-Beitrag vom 27.6.) mit Wirkung 1. Juli 2014 außer Kraft gesetzt. Neben Österreich erklärten auch die Verfassungsgerichte in Bulgarien, Zypern, der Tschechischen Republik, Deutschland, Rumänien und Slowenien die jeweiligen nationalen Regelungen zur VDS im Sinne des EuGH-Urteils für grundrechtswidrig.

Brandstetters Vorschläge

Justizminister Brandstetter schwebt eine „verfassungskonforme Regelung“ in der Richtung vor, dass die Daten nur mit RichterInvorbehalt und nur in Fällen schwerster Kriminalität genützt werden können. Er reflektiert jedoch zugleich insoweit, als er sehr wohl wisse, „dass es ein gravierender Grundrechtseingriff ist, ohne konkreten Anlass Daten zu speichern“. Es gilt hier „eine schwierige Abwägung zwischen einem massiven Grundrechtseingriff und einem großen Plus an Effektivität bei der Verfolgung schwerer Delikte zu treffen“. In dieser Aussage ist auch schon die Begründung für die geforderte Neuauflage der VDS enthalten, denn nach Brandstetter bräuchten die Sicherheitsbehörden die VDS zur Aufklärung von Straftaten, was sie auch mit praktischen Fällen belegen können.

Kritik

Brandstetter stieß mit seinen Vorschlägen beim Koalitionspartner SPÖ auf wenig Verständnis. EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer stellte klar: „Auf keinem Fall darf es zu einem Comeback der VDS kommen, auch nicht in abgeschwächter Form“. Ganz im Gegenteil die Urteile des EuGH und des VfGH „gilt es zu respektieren“. Weidenholzer entgegnete zudem, dass auch die außer Kraft gesetzte RL auf schwere Straftaten abzielte und Brandstetter somit die VDS in ihrem ursprünglichen Sinne, nämlich für schwere Delikte fordere. „Jedoch wurde die VDS in Österreich immer mehr ausgeweitet und auch in Bereichen geringer Delikte angewandt“.

Dass die Aufklärung schwerster Delikte sowie die Terrorbekämpfung nur vorgeschobene Argumente der BefürworterInnen der VDS darstellen, geht anschaulich aus einer parlamentarischen Anfrage – eingebracht durch den grünen Abgeordneten Albert Steinhauser – an Justizminister Brandstetter hervor. Demnach gab es 2013 354 Abfragen von Seiten der Justiz und sechs von Seiten des Innenministeriums. Der Großteil – 113 Fälle – betraf Diebstahl, bei 59 Abfragen ging es um Drogendelikte, bei 52 um Raub – beim Rest handelte es sich um beharrliche Verfolgung, Betrug und gefährliche Drohung. Keine einzige Abfrage erfolgte jedoch wegen des Verdachts (der Unterstützung) einer terroristischen Vereinigung. Es lässt sich somit empirisch nachweisen, dass das Argument der Terrorbekämpfung wenig überzeugend ist.

Der AKVorrat kritisiert  das von Brandstetter vorgebrachte Argument der Notwendigkeit der VDS zur Aufklärung von Straftaten vehement: „Die angebliche Effektivität der VDS für die Strafverfolgungsbehörden konnte von der österreichischen Bundesregierung weder vor dem Verfassungsgerichtshof glaubhaft gemacht werden, noch von den Vertretern von sieben Staaten und den drei EU-Institutionen im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. In all diesen Gerichtsverfahren sind die Befürworter der VDS daran gescheitert, den Richtern ausreichende Beweise für die angeblichen Vorteile und die Verhältnismäßigkeit dieser Überwachungsmaßnahme vorzulegen.“

Ich möchte mich den in diesem Beitrag dargestellten kritischen Äußerungen anschließen, und hoffe im Sinne des Grundrechtsschutzes darauf, dass der Gesetzgeber es unterlässt durch eine Art „VDS-light“ die Urteile des EuGH und des VfGH zu umgehen.

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