Dr. Datenschutz berichtet aus der Praxis
Die Anamnese
Zu den krankengeschichtlichen Hintergründen des “Patienten” kann Folgendes festgehalten werden: In einem österreichischen Betrieb richtet der Betriebsrat eine firmeninterne Facebook-Gruppe ein. Diese soll die Kommunikation zwischen den Beschäftigten fördern, dem Gedankenaustausch dienen, Informationen des Betriebsrats unter die MitarbeiterInnen bringen, etc.
Als vorbeugende Maßnahme, getreu dem medizinischen Grundsatz „Vorsorge ist besser als Heilen“ wurde die Gruppe so eingerichtet, dass nur tatsächlich im Betrieb Angestellte sich beteiligen konnten. Die SystemadministratorInnen schalteten ausschließlich jene Personen frei, deren Beschäftigtenstatus sie zuvor festgestellt hatten.
Die Symptome
In diesem Fall ist „Symptom“ genau der richtige Ausdruck, weil es eben keine sichtbaren Beschwerden gibt, niemand offensichtlich verletzt wurde und keine „Spuren von Gewaltanwendung“ zu sehen waren.
Was war geschehen? In der Gruppe wurde über die neuen Öffnungszeiten in den Filialen des Österreichweit tätigen Unternehmens diskutiert. Dabei postete ein Angestellter: „Prinzipiell hätt’ ich ja nix dagegen, aber ich würd’s noch besser verstehen, wenn um die Uhrzeit wenigstens Kunden kommen würden.“
Bald darauf hatte er ein Gespräch mit seinem direkten Vorgesetzten, dass er derartige Kommentare besser unterlassen solle. Der Vorgesetzte war selbst gar nicht in der Gruppe beteiligt – dessen Vorgesetzter schon und dieser hatte scheinbar den Auftrag erteilt, den Mitarbeiter in die Schranken zu verweisen.
Die Auswirkungen
In der Facebook-Gruppe wird über dieses Thema nur mehr in Andeutungen geschrieben, um dem betroffenen Kollegen nicht noch mehr Probleme zu bereiten.
Der Betriebsrat wird jedoch – sobald die Gelegenheit günstig ist – dieses Thema auf den Tisch bringen.
Es kann nicht sein, dass in unserem Betrieb sachliche Kritik einfach abgedreht wird – noch dazu wenn sie eh nur in einer geschlossenen Gruppe geäußert wurde, wo Kunden gar nicht mitlesen können!
stellt eine Betriebsrätin klar.
Epidemie-Prophylaxe
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass auch bei allen Sicherheitsvorkehrungen und Präventionstechniken (es gibt in dem Betrieb sowohl eine Social-Media-Richtlinie als auch eine Betriebsvereinbarung zu Email und Internet und dazu noch einen sehr engagierten Betriebsrat), immer noch die handelnden Personen in die Pflicht genommen werden müssen.
Was hier grassiert, ist – in den Worten der Betriebsrätin:
vorauseilender Gehorsam von Sandwich-Führungskräften.
Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung dieser Volkskrankheit ist es notwendig, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Der Impfstoff steckt in der Entwicklungsphase.
Beim Titel “Facebook-Schnüffelei” fällt mir dazu gleich weiter ein: die WKO, die Wirtschaftskammer Österreich, also die maßgebliche Organisation der Interessenvertretung der ArbeitgeberInnen in Österreich, treibt dich Sache gleich noch weiter. Die Devise scheint zu sein: Wenn’s Facebook schon gibt und die Leute dort ihren kommunikativen Neigungen nachgehen, dann am besten gleich als “Stasi”-Instrument verwenden – weil: den ArbeitnehmerInnen ist nicht zu trauen, die saugen förmlich die Betriebe aus! Die genauen Ausführungen dazu, wie man sich das in der WKO so vorstellt, finden sich hier: http://diepresse.com/home/techscience/internet/764434/Facebook_Vorsicht-Chef-liest-mit?_vl_backlink=/home/techscience/internet/index.do “Die Wirtschaftskammer will Tachinierer künftig via Facebook entlarven.”
Was bleibt da noch zu sagen? Am besten wieder einmal: Danke für die “schöne neue Arbeitswelt”, liebe WKO! Und: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Wirtschaft gut!
Ich halte die Überschrift für mehr als irreführend, da sie den Eindruck entstehen lässt, Facebook habe mal wieder den Datenschutz außer acht gelassen.
Siehe zu dem Problem auch http://kanzleizweinull.wordpress.com/2012/06/14/die-angst-vor-facebook-anwendungen/
Dass der Titel möglicher Weise in die Irre führt, gebe ich gerne zu. Dass der Konzern facebook nicht für jeden Missbrauch auf facebook verantwortlich ist, sollte allerdings klar sein. Es geht vielmehr darum, dass die Verantwortung nicht ausschließlich beim Konzern und schon gar nicht ständig bei den NutzerInnen gesucht wird, sondern vielmehr auch die ArbeitgeberInnen in die Pflicht genommen werden, die ihre Nasen in Dinge stecken, die sie nichts angehen.