Regelungserfordernisse der Internetnutzung am Arbeitsplatz und Erweiterung um Web 2.0-Aspekte

Die Einführung von Internet und Email ist eine zustimmungspflichtige Maßnahme

Die sich in den 1990ern stark ausbreitende Nutzung von Internet am Arbeitsplatz warf eine Reihe von Fragen auf, die neuen Regelungsbedarf mit sich brachten. Davon ausgehend, dass es zunächst der/die ArbeitgeberIn ist, der ein wesentliches Interesse an der Verwendung von Internet zur Geschäftsabwicklung durch die MitarbeiterInnen hat, stellt § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG die maßgebliche rechtliche Grundlage für die Einführung bzw. Nutzung von Internet am Arbeitsplatz dar. Demnach bedarf die Einführung/Nutzung von Internet im Betrieb der Zustimmung des Betriebsrats, da die Maßnahme die Menschenwürde berührt, weshalb die Zustimmungspflicht auch nicht ersetzbar ist.

Selbiges gilt auch für die Nutzung von Email. Das heißt, die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Internet/Email am Arbeitsplatz sind in einer Betriebsvereinbarung zu klären. Dabei ist aus Sicht der Belegschaftsvertretung vor allem auf die Möglichkeiten der Überwachung bzw. Kontrolle des Surfverhaltens zu achten, die nur unter ganz bestimmten, eindeutig definierten Anlassfällen unter Beiziehung des Betriebsrates erfolgen sollte. Der Betriebsrat kann hier mitbestimmen, wie die Vorgehensweise im Detail aussieht und sollte diese Möglichkeit auch umfassend ausnutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob eine private Nutzung durch die Beschäftigten als zulässig vereinbart wird oder nicht, wobei wiederum ein Komplettverbot privater Nutzung kaum zulässig ist.
Wichtig ist aber zunächst, dass Mitbestimmung des Betriebsrats in jedem Fall gilt:

„Zur Kontrolle der Internet-Dienste (www, E-Mail) am Arbeitsplatz gibt es bisher keine Judikatur, aber umfangreiche Äußerungen im Schrifttum […]. Danach kommt es […] nicht darauf an, ob private Nutzung von www und E-Mail durch den Betriebsinhaber erlaubt ist oder nicht, da der grundrechtliche Schutz der Kommunikation und damit der Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer (die Menschenwürde) auch dann greift, wenn nur dienstlich kommuniziert wird […]. Aufgrund der technischen Eigenheiten ist die Kontrolle von E-Mails und angewählten www-Seiten in der Regel sogar eine inhaltliche Kontrolle, die über Verbindungsdaten hinausgeht. Damit ist die durch das Persönlichkeitsrecht mittelbar geschützte Grundrechtssphäre beeinträchtigt. Das Informationsgrundrecht (Art 10 MRK) und der Schutz der Privatsphäre (Art 8 MRK) sind berührt. Damit liegt eine Berührung der Menschenwürde und die Zustimmungspflicht gem § 96 Abs 1 Z 3 vor. Für das www ist die Situation besonders prekär. Aus der angewählten Adresse ist nämlich – im Unterschied zu einer Telefonnummer – in der Regel bereits der Inhalt der angewählten Seite ersichtlich. Die Möglichkeit, die angewählten Adressen nachzuvollziehen, ist aber üblicher technischer Standard (sog Log-Files). Wird diese Möglichkeit nicht softwaremäßig eliminiert, besteht die objektive Eignung zur Kontrolle und bereits die Einführung des Internet ist zustimmungspflichtig […]. Jedenfalls unzulässig, weil die Menschenwürde verletzend, sind geheime Überwachungsmaßnahmen […].“ (Josef Cerny et al.: Arbeitsverfassungsrecht. Gesetze und Kommentare 157. Band 3, 4. Auflage, Wien: ÖGB Verlag, S. 152f.)

Trotz der Zustimmungspflicht durch den Betriebsrat herrscht Regelungsdefizit

Die rechtlichen Verhältnisse des Regelungsbedarfs zur Internetnutzung am Arbeitsplatz sind damit zwar eindeutig geklärt, in der Praxis zeigt sich allerdings häufig ein Regelungsdefizit. Anders ausgedrückt: In nahezu der Gesamtheit der Unternehmen sind mittlerweile Internet und Email im Einsatz, jedoch nur in einem Teil sind diese Systeme in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Laut einer aktuellen FORBA-Studie, in der Betriebsräte befragt wurden, sind bei knapp 99% der Befragten Internet und Email im Einsatz, Betriebsvereinbarungen dazu wurden aber nicht einmal in der Hälfte der Betriebe abgeschlossen. (Die wichtigsten Ergebnisse der FORBA-Studie: „Verwendung personenbezogener Daten und Grenzen betrieblicher Mitbestimmung. Datenschutz in der Arbeitswelt.“)

Internetnutzung am Arbeitsplatz – auch für private Zwecke!

Da also von einer sehr mangelhaften Regelungsdichte ausgegangen werden kann, ist auch anzunehmen, dass auch die brisanteste Frage der Internetnutzung am Arbeitsplatz in den Betrieben üblicherweise nicht eindeutig geregelt ist, und zwar jene nach der privaten Nutzung von Internet/Email. Dabei würde sich gerade hier die Regelung per Betriebsvereinbarung anbieten, um Klarheiten herzustellen und Orientierungsmöglichkeiten zu schaffen. Rechtlich gesehen gibt es dazu nämlich keine ganauen Vorgaben, sondern nur Formulierungen, die Handlungsspielraum offen lassen. Wie viel „privates Surfen im Rahmen einer ‚maßvollen Nutzung‘ liegt oder wie viel privates E-Mailen das ‚übliche Ausmaß‘ nicht übersteigt“ (futurezone, Hervorhebungen T.K.), ist nicht weiter durch den Gesetzgeber definiert. „Hier kommt es immer auf die bisherige Praxis im Unternehmen [‚betriebliche Übung‘] bzw. individuelle Vereinbarungen an.“ (Ebenda.)

Web 2.0 – allgemeine Zunahme der Internetnutzung

Ist eine allgemeine Ausweitung der Internetnutzung in den letzten Jahren mehr als offensichtlich, so ist die Ursache nicht zuletzt in den „Web 2.0-Entwicklungen“ (vgl. zum Beispiel: Link 1, Link 2) zu suchen und außerdem mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. So sind einer Studie von GfK Austria vom Herbst 2009 zu Folge knapp 70% der österreichischen InternetnutzerInnen ab 14 Jahren in mindestens einem „sozialen Netzwerk“ aktiv. Betrachtet man nur die Gruppe der 14 bis 19-Jährigen, trifft dies sogar auf 100% zu.

Auch wenn sich die Arbeitswelt durch eigene Gesetzmäßigkeiten auszeichnet und berufliches Verhalten sich in vielerlei Hinsicht von privatem Verhalten in der Freizeit unterscheidet, ist anzunehmen, dass sich ein wandelndes Mediennutzungsverhalten auch auf die Arbeitswelt auswirkt. Vor allem ist davon auszugehen, dass in vielen Tätigkeitsbereichen die Grenzen zwischen privater und beruflicher Internetnutzung immer schwerer zu ziehen sein werden – und das nicht nur wegen dem Interesse an privater Internetnutzung während der Arbeitszeit seitens der MitarbeiterInnen, sondern auch durch den Einsatz von Web 2.0-Tools für die Geschäftstätigkeit.

„Zum Arbeitsalltag der ‚Working Millennials‘ gehört der Austausch in Echtzeit. Instant Messaging verwenden weltweit betrachtet 55 Prozent der Befragten, in Europa sind es 45 Prozent (Asiatisch-Pazifischer Raum: 62 Prozent, Amerika: 58 Prozent). 45 Prozent der berufstätigen Millennials kommunizieren mit Kollegen und Kunden über Social Networks wie Facebook, in Europa sind es 34 Prozent, in Deutschland 42 Prozent (Asiatisch-Pazifischer Raum: 54 Prozent, Amerika: 43 Prozent).“ (BILDUNGaktuell)

Die sich hier abzeichnenden Zukunftsszenarien stellen hierzulande noch weitgehend Nischenphänomene dar. Nach wie vor spitzt sich der Großteil der Problemfälle auf die Frage nach der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz zu. Dabei überwiegt eher noch ein Verständnis im Umgang mit den neuen sozialen Medien, die Facebook, Twitter und Co. zur Internetfalle am Arbeitsplatz werden lassen können. Bei der Web 2.0-Nutzung am Arbeitsplatz ist daher Vorsicht angebracht, selbst wenn die private Internetnutzung durch den/die ArbeitgeberIn im „üblichen Ausmaß“ geduldet wird. Das deutet allerdings auch darauf hin, dass voraussichtlich Erweiterungen der bisherigen Betriebsvereinbarungen zur Internet-/Emailnutzung – soweit vorhanden – im Sinne von Richtlinien zur Nutzung sozialer Medien („Social Media Policy“ – Beispiele 1, Beispiele 2) sinnvoll sein könnten.

5 Kommentare:

  1. Pingback:Arbeit&Technik » Kommentar: Nutzung von Internet und Sozialen Medien (Facebook etc.) am Arbeitsplatz

  2. Pingback:Arbeitsvertrag » Darf der Vorgesetzte auf die Mailbox eines/einer ArbeitnehmerIn zugreifen?

  3. Pingback:Arbeit&Technik » Ver[www]irrt im Social-Media-Wald?

  4. Als Quellenangabe in einem Blog einen anderen Blog zu zitieren (BILDUNGaktuell), der die Daten wieder von einer anderen Seite hat, ist nicht gerade überzeugend. Bitte recherchiert etwas tiefer.

  5. Rainer Lenzenweger :Als Quellenangabe in einem Blog einen anderen Blog zu zitieren (BILDUNGaktuell), der die Daten wieder von einer anderen Seite hat, ist nicht gerade überzeugend. Bitte recherchiert etwas tiefer.

    Danke für diesen Hinweis! Selbstverständlich ist es mir/uns ein Anliegen, inhaltlich nachvollziehbar und gut verständlich zu sein, weshalb ich/wir jede Anregung gerne aufnehmen.
    Ich halte BILDUNGaktuell für ein absolut seriöses “eMagazin” und daher auf jeden Fall auch in “überzeugender” Weise für zitierfähig. Im angesprochenen Fall handelt es sich zudem nicht um eine reine inhaltliche Quellenangabe, sondern auch stilistisch um ein Zitat, weshalb die gegebene Form der Quellenangabe angebracht erscheint. Inhaltlich ändert sich nichts an der wiedergegebenen Aussage, wenn ihre Quelle direkt verlinkt wäre. Allerdings würde sich dann das Zitieren der Textstelle erübrigen. Insofern würde in diesem Fall auch eine tiefergehende Recherche kein anderes Ergebnis bringen. Was die Nachvollziehbarkeit betrifft, so ist die ursprüngliche Studie im verlinkten Artikel auf BILDUNGaktuell leicht auffindbar. Was ich aber jedenfalls aufnehme ist die Möglichkeit, die ursprüngliche Datenquelle gegebenfalls auch gleich bei der Link- bzw. Quellenangabe mitzuerwähnen.

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