Immer unter Beobachtung
Artikel von Christian Resei
aus ‘Solidarität Nr. 918′
Wer denkt, dass einzig der E-Mail-Verkehr überwacht werden kann, irrt gewaltig. Jeder Arbeitsschritt und jede Pause können dokumentiert werden. Ein neues Buch zeigt, was ArbeitnehmerInnen und -geberInnen erlaubt und was verboten ist. [Wir haben das Buch hier schon präsentiert.]
Lauschangriff. Der große Bruder wacht. Bei Travel Value Wien, den früheren Duty Free Shops, wurden Kameras in den Geschäften installiert. „Angeblich sind die Kameras nur da, um Diebstähle zu verhindern“, berichtet Thomas Kreiml von der Abteilung Arbeit und Technik bei der GPA-djp.
In der Tat gab es in Budapest Überfälle auf die Travel-Value-Filiale. Doch einige Kameras zeigten vor allem die Arbeitsbereiche der Belegschaft. „Das Argument des Sicherheitsaspektes konnte hier nicht wirklich aufrecht erhalten werden“, erklärt Thomas Kreiml.
Durch Intervention der GPA-djp wurden deshalb einige Sicherheitskameras wieder abmontiert. „Doch die übrigen Kameras sind derzeit nicht aktiv. Denn die Datenschutzkommission hat die Anlage nicht gebilligt“, stellt Ashwani Scharna, Betriebsrats-Vorsitzender von Travel Value Wien, klar.
Überwachung per GPS
Thomas Riesenecker-Caba von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) beobachtet die Überwachungstricks seit Jahren:
„In der letzten Zeit hat sich die Dichte der Daten um einiges erhöht. Es gibt eine neue Generation von mittlerem Management mit guten Computerkenntnissen, die Daten abrufen können.“
Kontrolliert wird nicht nur die Arbeit am Computer, denn auch Telefonsysteme zeigen, wann wer mit wem und wie lange telefoniert hat. Der Experte weiter:
„Derzeit werden GPS-Systeme in Dienstfahrzeuge eingebaut. Auf Knopfdruck lassen sich Wege genau nachzeichnen. So wird festgestellt, wann die ArbeitnehmerInnen Pausen machen“, zeigt sich Riesenecker-Caba besorgt. Internationale Firmen können somit Zulieferer aus verschiedenen Ländern miteinander vergleichen.
Auch in Fabriken speichern viele Produktionsmaschinen Aufzeichnungen über das verwendete Material und den Ausschuss der Ware. Über Dienstpläne oder Zeiterfassungsysteme wird offengelegt, wer gerade an der Maschine arbeitet.
Die Datenbank vergisst nicht
„Die Daten solcher Systeme können lange gespeichert werden“, weiß Riesenecker-Caba. So könnte etwa der steigende Produktivitätsverlust eines Arbeiters mit zunehmendem Alter nachgewiesen werden. Das macht Angst – zu Recht.
„Vor kurzem wollte eine Firma für die Zeiterfassung ein Fingerprintsystem einführen“, erzählt Datenexperte Riesenecker-Caba. „Da haben wir uns gefragt: Was ist das Ziel? – und gibt es nicht eine andere Möglichkeit, das Ziel zu erreichen? Wir haben uns für Zeitkarten entschieden.“
Schwieriger Schutz der Rechte
Zunehmend wird es für den Betriebsrat problematischer, die Übersicht zu wahren. Immer öfter müssen MitarbeiterInnen Einwilligungserklärungen unterschreiben, die nachteilige Klauseln enthalten.
„Der Betriebsrat sollte befugt sein, bei Verstößen gegen das Datenschutzgesetz die Ansprüche der KollegInnen geltend zu machen“, fordert Eva Angerler von der GPA-djp.
Es muss für jeden/jede ArbeitnehmerIn klar sein, was kontrolliert wird, wer Zugriff auf die Daten hat und was die Folgen sind. Der Betriebsrat soll die „faire Verwendung“ kontrollieren können.
Man fragt sich nur: Wer überwacht die Überwacher?
—
Eintrag übernommen vom “Daten im Betrieb”-Blog, danke Christian Voigt.
Auch die Arbeiterkammer widmet sich in der aktuellen Ausgabe ihrer Mitgliederzeitschrift AK für Sie dem Thema und fordert mehr Bemühungen im Bereich des Datenschutzes.
- Schützt unsere Daten! (AK für Sie, Ausgabe September 09/09, S. 10-12): “Immer mehr ArbeitnehmerInnen werden in der Firma überwacht und kontrolliert – oft ohne es zu merken.”